Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) bezeichnet jegliche Verletzung des Schädels (mit oder ohne Fraktur), die mit einer Schädigung des Gehirns einhergeht. Meist entsteht ein SHT im Zusammenhang mit einem Polytrauma. Da jedoch schon geringe Verletzungen eine Hirnblutung oder -schwellung verursachen können und Symptome manchmal erst nach Tagen auftreten, sollte ein SHT stets sofort nach dem Unfall gründlich untersucht werden.
Die Zellen des Gehirns reagieren am empfindlichsten von allen Körperzellen auf Sauerstoffmangel. Blutungen oder Schwellungen in der Schädelhöhle können einen Sauerstoffmangel auslösen, da in einem solchen Fall nicht mehr ausreichend frisches Blut an die Zellen gelangen kann. Aus diesem Grund ist eine rechtzeitige Behandlung für eine gute Prognose des Patienten sehr wichtig.
Schädel-Hirn-Traumata werden nach verschiedenen Kriterien eingeteilt. Ganz grob unterscheidet man anfangs ein offenes und gedecktes SHT. Von einem offenen SHT spricht man, wenn die Kopfhaut, der Schädelknochen und die harte Hirnhaut (= Dura mater) verletzt sind und das Gehirn somit „offen“ liegt. Andernfalls liegt ein gedecktes SHT vor. Lufteinschlüsse im Gehirn (häufig erst im Schädel-Computertomogramm zu erkennen) weisen auch auf ein offenes SHT hin, wie z. B. die längs verlaufende Fraktur des Felsenbeins (Schädelbasis zum Gehörgang).
Klinisch wird das SHT nach der Schwere der Verletzung einem bestimmten Grad zugeordnet, der gleichzeitig etwas über die Prognose des SHT aussagt.
So wird zum einen der initial (= sofort nach dem Unfall) festgestellte Bewusstseinszustand des Patienten zur Beurteilung der Schwere des SHT herangezogen und mit Hilfe der Glasgow Coma Scale (= GCS) eingeordnet. Der GSC ist eine international anerkannte Skala zur Einschätzung des Bewusstseinszustandes, wobei jeweils Punkte für die Augenöffnung, die verbale Kommunikation und die motorische Bewegung des Patienten vergeben werden. Bei vollem, also uneingeschränktem, Bewusstsein wird die Maximalpunktzahl von 15 Punkten erreicht. Die genauen Kriterien der Punktevergabe können der folgenden Tabelle entnommen werden:
Glasgow Coma Scale (= GCS)
Je nach initialem Bewusstseinszustand wird das SHT nach dem GCS nun wie folgt eingeteilt:
Schädel-Hirn-Traumata treten vor allem im Zusammenhang mit schweren Verkehrsunfällen (50 %), Stürzen (20 %) und Schlägereien auf. Nicht selten können aber auch epileptische Anfälle, Synkopen (= kurzzeitige Bewusstlosigkeit durch z. B. Kreislaufkollaps, Herzrhythmusstörungen) oder Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch die Ursache für ein SHT sein.
Die Ausprägung der Symptome hängt in der Regel mit der Schwere des Schädel-Hirn-Traumas zusammen und spiegelt sich in den oben genannten Ergebnissen der Glasgow Coma Scales wider. Zu den häufigsten zusätzlichen Symptomen gehören:
Der Umfang der Diagnostik hängt im Wesentlichen von der initialen neurologischen Einschätzung entsprechend dem GCS ab. In jedem Fall sollten jedoch folgende Punkte erhoben werden:
Patienten mit einem GCS von 13 oder weniger Punkten sollten unverzüglich mittels Cranialer Computertomographie (= CCT, Schädel-CT) untersucht werden. Dabei ist es wichtig, auch eine Darstellung der oberen Halswirbelsäule zu gewinnen.
Bei Patienten mit einem GCS zwischen 14 und 15 Punkten ist die Entscheidung für eine CCT abhängig von einer Reihe weiterer Risikofaktoren, wie z. B. Alter oder die Einnahme gerinnungshemmender Medikamente. Sehr hilfreich kann die Bestimmung eines Blutwertes (S-100b) sein, da bei Unterschreitung eines Grenzwerts die Wahrscheinlichkeit einer Hirnverletzung als sehr gering eingestuft werden kann.
Bei Patienten mit einem GCS von unter 13 Punkten ist eine Reihe weiterer Untersuchungen notwendig:
Wichtig hierbei: Viele Patienten mit einem schweren SHT weisen begleitende Verletzungen der Halswirbelsäule auf. Daher sollte bei einem bewusstlosen Patienten bis zum radiologischen Beweis des Gegenteils stets von einer instabilen Wirbelsäulenverletzung ausgegangen werden und die Halswirbelsäule solange mit einem Immobilisations-Kragen ruhig gehalten werden.
Im Einzelfall kann eine weitere Abklärung mittels Schädel-MRT, EEG (= Messung der Hirnströme), Neurosonographie (= zur Darstellung von Gefäßverletzungen außerhalb des Schädelknochens), Neurophysiologie, HNO, Ophthalmologie und/oder Kieferchirurgie notwendig sein.
Ein Schädel-MRT (= Kernspintomographie) wird vor allem eingesetzt, um Schäden der Nervenzellfortsätze und des Hirnstamms festzustellen sowie Liquorfisteln (= Öffnung der Liquorräume nach außen; meist im Bereich der Nase bei Schädelbasisbrüchen) zu entdecken.
Die Behandlung eines Schädel-Hirn-Traumas richtet sich in erster Line nach dem aktuellen klinisch-neurologischen Befund und einer eventuellen Bildgebung. Vor allem in der Frühphase nach einem Unfall muss der neurologische Status des Patienten durch klinische Untersuchungen immer wieder neu evaluiert werden, um die Therapie gegebenenfalls adäquat anpassen zu können. Der Schweregrad des SHT ist für die Versorgung des Patienten dabei von geringerer Bedeutung.
Ziel der Behandlung ist es, das Ausmaß der Hirnschädigung zu begrenzen und den funktionsgeschädigten, aber nicht zerstörten Zellen des Gehirns optimale Bedingungen für die funktionelle Regeneration zu geben. Die Versorgung beginnt schon am Unfallort und setzt sich im Krankenhaus fort, wobei operationspflichtige Verletzungen frühzeitig behandelt werden sollten.
Leichtes SHT:
Bei einem leichten SHT kann die Behandlung häufig ambulant durchgeführt werden. Der Patient sowie eine Begleitperson müssen jedoch vor der Entlassung über die Notwendigkeit einer Wiedervorstellung bei Bewusstseinsminderung sowie beim Auftreten neuer Symptome (Übelkeit und Erbrechen) oder bei Verschlechterung der Symptome aufgeklärt werden.
Eine intensive Überwachung (mit regelmäßigen Kontrollen von Bewusstseinslage und Pupillenmotorik) ist bei Patienten mit folgenden Risikofaktoren schon bei einem leichten SHT über 24 Stunden erforderlich:
Eine stationäre Aufnahme ist bei einem leichten SHT in der Regel nur zur Abklärung und Therapie der Unfallursache (z. B. epileptischer Anfall, Synkope, Alkoholkrankheit) notwendig.
Patienten mit einem leichten SHT benötigen vor allem Bettruhe für 2 bis 3 Tage. Die Symptome klingen dann in der Regel spontan ab. Bis dahin werden Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel symptomatisch behandelt.
Mittleres bis schweres SHT:
Schwerere Schädel-Hirn-Traumata bedürfen oft schon am Unfallort einer umfassenden Erstversorgung. Die Sicherung der Vitalfunktionen (Atmung und Kreislauf) ist anfangs die wichtigste Maßnahme. Die weitere Versorgung sollte dann in einem spezialisierten Traumazentrum erfolgen, da ggf. operative Entlastungen der Blutungen im Schädel nötig sind.
Die Weiterbehandlung richtet sich vor allem nach den verbleibenden neurologischen Störungen und den Heilungsaussichten. Folgende Aspekte sind dabei die Grundlage:
Nach einem schwereren SHT besteht zudem die Möglichkeit einer Rehabilitation. Die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (Phase B) bietet gleichzeitig eine akutmedizinische und eine rehabilitationsmedizinische stationäre Versorgung von Patienten mit schwersten Beeinträchtigungen bis hin zu Bewusstseinsstörungen. Entsprechend muss eine intensivmedizinische Betreuung gewährleistet sein.
Patienten mit leichteren Funktionsstörungen oder erfolgreicher Phase-B-Rehabilitation, die keiner kontinuierlichen medizinischen Überwachung bedürfen, können in einer Einrichtung zur Frühmobilisation bzw. postprimären neurologisch-neurochirurgischen Rehabilitation (Phase C) behandelt werden. Die sich daran anschließende Betreuung richtet sich nach der Schwere der verbliebenen Defizite.
Gefürchtete Komplikationen sind vor allem ein erhöhter Hirndruck und Hämatome im Gehirngewebe. Beides kann eine Kompression hervorrufen, bei der gesundes Gehirngewebe eingeklemmt wird. In einem solchen Fall ist es notwendig, den Hirndruck medikamentös zu senken oder das Hämatom bzw. den Hirndruck durch einen Shunt (= künstliche Verbindung des Schädelinneren mit der Außenwelt) zu entlasten.
Weitere mögliche Komplikationen:
In der Frühphase nach einem SHT ist es selbst für einen Spezialisten schwierig, die Prognose eines Patienten abzuschätzen. Als sinnvoll gelten jedoch folgende Kriterien:
Autoren: Ina Aschenbrenner, Prof. Dr. Peter Biberthaler (Redaktionsteam DGU-Website)